– IPReG –
Grundsätzliche Überarbeitung notwendig
Wahlfreiheit und gleiche Versorgungsqualität
für außerklinisch intensivpflegebedürftige
Patienten jeglichen Krankheitsbildes
Mit dem Rehabilitations- und Intensivpflege Stärkungsgesetzt
(IPReG) möchte die Bundesregierung die Versorgung von
außerklinisch intensivpflegebedürftigen Menschen jeden Alters
verbessern und gleichzeitig Missbrauch verhindern. Diese Ziele
können durch den aktuellen Entwurf praktisch nicht erreicht
werden. Vielmehr übergibt die Bundesregierung mit dem IPReG
den Kostenträgern ein Steuerungs- und Machtinstrument, unter
welchem die betroffenen Menschen zukünftig leiden werden.
Es ist davon auszugehen, dass der aktuelle Referentenentwurf
in seiner Mehrheit in einen Gesetzesentwurf übergehen wird.
Die ArGe „Fachgesellschaften und Verbände der
außerklinischen Intensivpflege“ beschäftigt sich daher mit der
praktischen Umsetzung des Entwurfes, sowie der Bedeutung
für die Betroffenen und die pflegenden Fachkräfte.
Leider existiert aktuell keine bundesweite Interessensvertretung
in der Pflege. Pflegekräfte sind diejenigen Kräfte im
Gesundheitswesen, die meistens ganz nah mit den betroffenen
Menschen zusammenarbeiten. Deshalb kennen die Pflegenden
in der Regel auch die Bedarfe der Menschen. Eine Art
Bundespflegekammer, welche mit einheitlicher Stimme für die
Pflege spricht, wird an dieser Stelle und gerade bei diesem
Entwurf schmerzlich vermisst. Insbesondere in Anbetracht der
Tatsache, dass im vorliegenden Entwurf die verschiedenen
Sektoren der Pflege im klinischen, stationären und ambulanten
Bereich konsequent gegeneinander ausgespielt werden. Eine stärkere Gewichtung der stationären Versorgung ist in dem Entwurf klar zu erkennen. Hieraus ergibt sich selbstredend
die Frage, wie die Träger von stationären Einrichtungen in
Zukunft die Patienten mit Langzeitbeatmung versorgen
möchten, wenn Sie schon heute auf Grund des
Personalmangels nicht mehr in der Lage sind, normal
pflegebedürftige Menschen zu versorgen. Im Entwurf ist die
Rede von Fehlanreizen durch die unterschiedliche Belastung
der Betroffenen und Angehörigen, da diese im stationären
Setting durch Investitionskosten, EEE (den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil) und Zuzahlungen im SGB
XI belastet werden. Solche Eigenanteile sieht die ambulante
Versorgung nicht vor und daher sollen diese Kosten für
stationäre Versorgungen zukünftig durch die KV übernommen
werden. Hierbei wird gänzlich außer Acht gelassen, dass die
Kosten für Miete und Verpflegung sowie für die gemeinsame
Haushaltsführung auch im ambulanten Setting zu den
Regeleigenleistungen gehören.
Bei einer vollständigen Übernahme der Kosten im Bereich der
Einrichtungen des §43 SGB XI würde somit eine
Ungleichbehandlung erfolgen, die im umgekehrten Fall zur
Formulierung der Fehlanreize geführt hat. Diese
Wettbewerbsverzerrung, die man ja eigentlich abschaffen will,
wird noch dadurch verstärkt, dass der Gesetzgeber vorsieht,
dass die KV per Satzung festlegen kann diese
behandlungspflegerischen Leistungen auch noch nach
Beendigung der Intensivpflegebedürftigkeit weiterzuzahlen. In
der ambulanten Versorgung ist in solchen Fällen eine
Weiterversorgung länger als 14 Tage nicht möglich und der
Betroffene hat die Versorgung zu wechseln.
Die hochwertige Pflege von intensivpflichtigen Patienten bedarf
einer fundierten Fachkenntnis und einer entsprechenden
Qualifikation. Die wenigsten Pflegekräfte, die in stationären
Einrichtungen arbeiten sind gemäß der Fachgesellschaften
KNAIB, DIGAB und DGF für diese verantwortungsvolle Aufgabe
weitergebildet. Gemäß der fachgesellschaftlichen
Empfehlungen, müssen 3-jährig examinierte Pflegekräfte über einen strukturierten Grund- und Aufbaukurs „außerklinische
Intensivpflege“ verfügen.
Jeder Patient hat das Recht auf eine hohe Versorgungsqualität
– egal ob er stationär oder ambulant betreut wird. Dies
bedeutet, dass in den unterschiedlichen Versorgungsmodellen,
die gleiche personelle und strukturelle Pflege sichergestellt sein
muss. Fehlanreize durch rein finanzielle Interessen motiviert,
wie sie in dem Entwurf immer wieder aufgeführt sind, werden
nicht gelöst, in dem man nun die stationären Einrichtungen
bevorzugt, vielmehr sollte ein vernünftiges Gesetz in einer
Gleichstellung der Versorgungsarten enden.
Der vorliegende Entwurf wird die Kostenträger nun
bemächtigen, im Rahmen von Zumutbarkeitsprüfungen,
Patienten konsequent in ein stationäres Setting zu beraten, da
die dortigen Kosten in Absprache mit den Trägern dieser
Einrichtungen, deutlich die Kosten in der ambulanten,
häuslichen oder auch der wohngemeinschaftlichen Versorgung
unterschreiten werden. Dies liegt nicht in der Tatsache
begründet, dass diese effizienter pflegen können, sondern
alleine daran, dass der Personalschlüssel deutlich geringer
ausfällt, als in den aktuellen, ambulanten Versorgungen.
Pflegekräfte werden hier deutlich mehr Patienten pro Kopf
versorgen müssen. Die Pflegequalität wird nicht vergleichbar
sein. Es darf nicht Angelegenheit eines
Krankenkassenmitarbeiters sein, einem Menschen mit
Beatmung das Leben zuhause zu bewilligen oder eben nicht.
Die teilhabe- und patientenorientierte Versorgung durch die
Krankenversicherungen zeigt schon heute am Beispiel der
Hilfsmittel, dass Kostenreduzierungen häufig vor dem
Patientenwohl stehen. Es gilt grundsätzlich, dass jeder Mensch
das Grundrecht auf freie Wahl des Wohn-/Lebensortes hat. Ob
dieser geeignet erscheint oder nicht obliegt nicht dem Urteil
oder der Bewertung durch den MD oder die Krankenkasse.
Dies bestimmt einzig und alleine der Betroffene. Im Entwurf findet sich in neuer Qualität eine Differenzierung der
bisher betroffenen Patienten. Der Begriff der aktiven Teilhabe
am Leben soll als Indikator für die Entscheidung des
Versorgungsortes verwendet werden. Sehr deutlich wird hier,
dass eine freie Wahl der Versorgung und des Versorgungsortes
nach diesem Kriterium eingeschränkt werden soll. Was aber ist
die aktive Teilhabe am Leben und nach welchen Kriterien soll
diese ge- und bemessen werden? Hier wird erneut ein rechtlich
unbestimmbarer Rechtsbegriff verwendet und dem Ermessen
der KT viel Spielraum eingeräumt. Ob ein Mensch im
Wachkoma von seinem gewohnten Umfeld mit vertrauten
Menschen profitiert oder er sich im gesellschaftlichen Raum
befindet, darf nicht zu einer Bewertung seiner Teilhabefähigkeit
führen. Zumal diese ohnehin nicht oder nur sehr schwer zu
ermitteln ist. Wir fordern, dass bei der Behandlung der
Ansprüche von Behinderten die gleichen Rechte gelten,
unabhängig von der Fähigkeit sich hierzu aktiv zu äußern. Das
Recht sieht hier – wie im WTG-NRW schon verankert – einen
gesetzlichen Vertreter vor. Diese Regelung muss auch im
Rahmen der SGB V Gesetzgebung erfolgen.
Die Verpflichtung von Wohngemeinschaften respektive privaten
Pflegediensten zur Kooperation mit Fachärzten ist nicht zu
erfüllen und gefährdet die Verordnungssicherheit. Ursächlich
hierfür ist der bereits bestehende eklatante Fachärztemangel.
Fachärzte verfügen außerdem häufig trotz ihrer Fachlichkeit
nicht über die notwendige Expertise für den Bereich
außerklinische Beatmung. Ein weiteres Problem, dass sich
hieraus ergibt ist die Einschränkung der freien Arztwahl durch
den Betroffenen. Hier empfehlen wir der Bundesregierung vor
Einführung eines Gesetzes die Rahmenbedingungen in
pflegefremden Berufsgruppen und Kliniken erst einmal zu
verbessern, damit genug Fachärzte für solche Kooperationen
dann zur Verfügung stehen.
Die in dem Entwurf benannten und noch zu erarbeitenden Rahmenempfehlungen für die außerklinische Intensivpflege sind nur dann sinnvoll und zielführend, wenn Vertreter und ausgewiesene Experten aus dem Segment der Pflege aktiv
mitgestalten können. Die Ausarbeitung der
Bundesrahmenempfehlungen durch den GBA innerhalb eines
Jahres nach Inkrafttreten des angedachten Gesetzes führt
außerdem dazu, das über das IPReG abgestimmt werden
muss, ohne das dieses bisher inhaltlich ausgearbeitet wurde.

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